Ich fühle mich angesprochen: Ich schaue hier öfters vorbei und sehe, wie die Kadenz an Beiträgen abflaut. Daher mal etwas von mir!
Mit einer on-off Beziehung zum Rudern, seit ich 2017 nach Singapur gezogen bin, hatte ich mich eigentlich mit der Rente schon angefreundet. Unser 4- Team hatte sich dann nach der Saison 2019 aufgelöst und seit Beginn der Covid-Ära wurden wahrscheinlich mehr Pints getrunken als Kilometer auf dem Wasser gerudert.
Doch als ein (ehemaliges) Leichtgewicht kommt man in eine existentielle Krise, sobald Hosen nichtmehr passen usw. Und klar, wieder ins Training einsteigen ist natürlich naheliegender, als einfach Shoppen zu gehen.
Erst seit Anfang 2023 kann man endlich wieder unproblematisch nach Hong Kong reisen und somit sind die Hong Kong Rowing Championships zurück als adäquater Saisonhöhepunkt. Zudem brachte ein frisch eingewanderter Ami (Kyle) den notwendigen frischen Wind rein, um mich wieder aufs Wasser zu bekommen.
Das Training gestaltet sich allerdings schwierig, weil 7 Uhr morgens meistens nicht klappt, da einer morgens um 6 das Orderbuch im Währungshandel für eine internationale Bank übernehmen muss (nein, das bin leider nicht ich) und der andere chronisch nachtaktiv ist. Nachmittags fällt bald jedes zweite Training flach dank umfangreicher Tropengewitter. So weit, so schlecht. Nachdem das ganze 2023 noch so lala ausgegangen war (im M2x war nur der 4. Platz drin und die Party war lame), war dieses Jahr mal wieder mehr Action drin. In den sechs Wochen davor lief die Vorbereitung dann doch noch sehr gut, da der Ruderverband im Oktober kurzerhand Jake Green aus Südafrika als Coach engagierte, der uns nebenher mit dem Singapur-Nationalteam ein paar Einheiten durch das Pandan-Reservoir jagte.
Allgemein mache ich mir aber keine Illusionen und melde im Einer lieber in der Masters-Kategorie A und stelle dabei fest, dass das bereits mein letztes Jahr in dieser Altersklasse ist - so schnell vergeht die Zeit. Kyle greift nach den Sternen und meldet den offenen Männer-Einer, wo er sich nach einer letztjährigen Bronzemedaille einiges ausrechnet. Im offenen Doppelzweier gibt es eine Flut von Meldungen aus Hong Kong, China, Taiwan und den Philippinen. Außerdem versucht es neben uns auch ein Boot von der National University of Singapore. 22 Meldungen versichern, dass es eine Weile dauern dürfte, bis man das Finale rudert.
Die Anreise nach Hong Kong geschieht glücklicherweise recht entspannt per Flugtasse. Freitags nachmittags gibt es noch eine kleine Trainingseinheit auf dem Shing-Mun River, die dann doch länger dauert um den nagelneuen, aber grausam eingestellten Wintech-Einer einigermaßen unter Kontrolle zu bringen. Abends gibt es einen Besuch in der leicht versifften Straßenküche “Oi Man Sang”, wo Gerichte auf einer Kerosin-Stichflamme innerhalb von 30 Sekunden gekocht werden - schmecken tut es jedenfalls.
Am Samstag ist es leider recht schlechtes Wetter, aber die Bedingungen gehen klar, von etwas gewöhnungsbedürftiger Strömung mal abgesehen. Im Einer kann ich das Rennen vorne raus fahren, muss mir aber den Kollegen aus Chengdu (China) auf der Bahn nebendran für den Rest des Rennens vom Leibe halten, was mehr reinzieht, als geplant. Er ist scheinbar not amused und taucht später nicht zur Siegerehrung auf.
Im Doppelzweier fahren wir einen entspannten Vorlauf runter und kommen locker ins Halbfinale, ähnlich geht es Kyle im Einer. Abends wird dann noch geröstete Gans mit Nudeln gegessen, inklusive typischem Hong Kong Service: Wie lange man ca. anstehen müsse? Klappe halten und da hinten anstellen! Ob wir noch einen Teller haben könnten? Nein, ihr habt doch schon genug! Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen hat der Laden einen Michelin-Stern; fragt mich nicht warum.
Sonntag ist endlich Finaltag. Mit reichlich Schlaf und Dim Sum unter der Haube gibt es ein entspanntes Halbfinale. Die Finals sind dann eher weniger entspannt: Die Tide drückt ziemlich in den Fluss und die saubere Druckaufnahme gestaltet sich schwierig. Kyle erwischt ein miserables Rennen im Einer und wird 4. und kommt ziemlich zerstört von der Strecke. Mit ein wenig Ruhe kommen wir brauchbar los, sind aber erstmal nur auf Position 3. Nach 500m fährt uns der Hong Kong Kader weg und das U23 Boot legt sich auch leicht vor uns. Kurz vor der 1000m Marke schaffen wir es allerdings, durchzustarten und uns bis zu den letzten 500m eine Länge auf das U23 Boot rauszufahren, die wir im Endspurt dann auch halten können. Silber, geil! Scheinbar kann ich es doch noch. Oder es liegt einfach dran, dass Kyle knapp unter 6 Minuten zieht - auch möglich.
Die Dinner-Party dieses Jahr ist irgendwie komisch: Da der Royal Hong Kong Yacht Club ausgebucht war (oder sich die ruderische Festgesellschaft letztes Jahr wohl einfach zu sehr danebenbenommen hat), wird der Anlass in ein Restaurant verlegt. Dort kommt die Stimmung dann aber zum kochen: Man sieht ein buntes Gewirr an Blazern, Bier wird aus Chinesischen Teeschüsseln serviert, die Chinesischen Teams sind auf Tauschgeschäfte aus, Grau-Melierte Exil-Briten schwingen Tischreden, die angereisten Australier benehmen sich wieder so, wie man es erwartet und eine Dame der Hongkonger Oxford-Cambridge Alumni gewinnt auf der Afterparty im Weitkotzen mit der Stilnote 10 (keiner getroffen und exzellente Darbietung). Kurzum: Man schafft es, das internationale Ruderatzentum wieder voll aufleben zu lassen!
Soweit dann mal: Hoffentlich schaffe ich es auf die Glühweingala!
In Memoriam für Heinrich Hort (der Herr habe ihn selig): Falls Du dort oben Internet hast, werde ich irgendwann noch wie versprochen einen umfassenden Bericht über das Rudern in Singapur schreiben!